4. Adventwoche
4. Adventwoche

4. Dezember

Schmetterling im Herzen

Schmetterling

Für den Adventkalender 2018 hatte ich versprochen, eine Nikolausgeschichte zu schreiben. Bevor ich den Text im November jedoch zu Papier bringen konnte, erkrankte meine in der Schweiz lebende Schwester Marijana völlig unerwartet. Die letzten Tage ihres Lebens verbrachte sie in einem Hospiz. Kinder, Enkel und wir Geschwister begleiteten sie alle in dieser Zeit. Das Abschiednehmen war sehr traurig, aber es war auch irgendwie schön, dass wir das gemeinsam tun konnten.
Am 15. November 2018 starb meine Schwester. Sie hat mit ihrem Mann Spuren der Liebe hinterlassen. Mit meinen Schweizern (den vier Kindern meiner Schwester und deren Familien, es gibt insgesamt acht Enkelkinder) bin ich emotional sehr verbunden. Wir alle vermissen Marijana sehr.
Besonders schwer fiel es den beiden jüngsten Enkeln, die mit Marianne im selben Haus gewohnt hatten, den Tod zu verstehen und dass sie die Oma nun nicht mehr täglich sehen können. Eine Geschichte, die wir den Kindern über ihren Wunsch immer wieder vorlesen mussten, half ihnen, mit dem Schmerz umzugehen. In dieser Erzählung wurde berichtet, wie aus einer Raupe ein schöner Schmetterling wurde, der zum Himmel flog. Die Vorstellung, dass ihre geliebte Oma in anderer Form (ähnlich wie ein Schmetterling) weiterleben würde, fanden sie tröstlich.
Heuer im Frühsommer reiste ich erneut in die Schweiz, um bei der Firmung eines Großneffen dabei zu sein. Ich freute mich über das Familientreffen. Wir nahmen uns Zeit zum Plaudern, und es gab Gelegenheit zum Singen und Musizieren. Mein kleiner Großneffe hatte sogar ein Mäpple für Tante Agnes mit Texten von Schweizer Liedern vorbereitet, mit dem Auftrag die Schweizer Texte bis zu meinem nächsten Besuch zu lernen.
Anlässlich meines Geburtstages kochte ich für die Großfamilie Wiener Schnitzel und wurde gelobt: „Tante Agnes, ich hab‘ schon gewusst, dass du gut singen kannst, ich hab‘ aber nicht gewusst, dass du so gut Schnitzel machen kannst wie die Oma.“ Die Kinder sorgten dann auch für die Erweiterung meiner Kochkenntnisse. Sie zeigten mir ganz genau die Zubereitungsschritte des Thunfischsalates, wie ihn die Oma immer gemacht hatte. Das Rezept wurde extra für mich aufgeschrieben und in das Mäpple mit den Schweizer Liedern gegeben, damit ich den Salat dann auch in Österreich „nachkochen“ kann. „Siehst du, Tante Agnes, jetzt hast du von der Oma und uns gelernt, wie man Thunfischsalat macht, jetzt müssen wir ihn nur noch aufs Brot geben und essen.“
Vor der Heimreise war es mir natürlich ein Anliegen, das Grab meiner Schwester zu besuchen, und die Kinder begleiteten mich dabei. Zwischen den Blumen steckte die Nachbildung eines Schmetterlings, was mich sehr berührte. Nachdenklich meinte die fünfjährige Romina: „Ich verstehe aber nicht, wieso der Schmetterling noch immer da ist, wo doch die Oma jetzt e Engu is …!“ Ihr achtjähriger Bruder Manuel klopfte daraufhin mit beiden Händchen auf seine Brust und sagte: „Da is die Oma, die Oma is da drin. Sie is zum Himmel gfloga, aber sie blibt in mini Herza!“ Und dass diese beiden Kinder meine Schwester, ihre Oma, im Herzen tragen, haben sie immer wieder gezeigt.

Agnes Fazekas

Diese Seite verwendet Cookies. Nutzen Sie weiterhin unsere Seite, stimmen Sie unserer Cookie-Nutzung und der Datenschtutzerklärung zu.