Für viele Menschen auch in unserer Gemeinde ist der Gottesdienst zum Jahresschluss ein ganz besonderer. Eine knappe Stunde Zeit zu Beginn des Silvester-Abends in der Gemeinde - gemeinsam und für sich selbst - über das vergangene Jahr nachzudenken. Das gemeinsame Überlegen und Gottesdienstfeiern in der Kirche darf heuer zu Silvester wegen der Coronabestimmungen nicht stattfinden. Dennoch gibt es auch heuer - wie seit vielen Jahren - für den Jahresschluss in St. Martin einen „Fürbitt-Text“ von Manfred Zeller.


Gedanken und Gebet zum Jahresschluss 2020

Am Ende des Jahres innehalten, zurückschauen … dankbare Erinnerungen, aber auch schmerzhafte … Zusammenhänge, die wir verstehen, aber auch solche, mit denen wir uns schwer tun. Alles in Gottes Hände legen, ob Freude, Dankbarkeit, Angst, Enttäuschung … und an die Zukunft denken, in bittendem Vertrauen an den unfassbaren, barmherzigen, heilenden Gott des Lebens:

Wir leben jetzt mitten im 3. Lockdown der Coronapandemie.
Gott, viel Gewohntes fehlt uns, geht uns ab. Viele leiden darunter. Aber wir sind auch dankbar für die Hilfsbereitschaft und Unterstützung, die in diesem Jahr sichtbar wurde, für Kreativität in den Schwierigen Zeiten und die technischen Möglichkeiten, die - trotz aller Beschränkung - geholfen haben, mit Menschen in Kontakt zu sein.
Viele blicken zögerlich in die Zukunft, fragend, wie lange diese Pandemie uns noch beeinträchtigt, und ungewiss, ob es jemals wieder so wird wie vorher.
Gott des Lebens, mit dir gehen wir vertrauensvoll Schritt für Schritt, auch wenn wir vieles nicht vorhersehen oder bestimmen können.

Das politische Leben in unserem Land wurde fast gänzlich überschattet von den Herausforderungen der Corona-Pandemie.
Dabei hatte die neue Bundesregierung gerade erst zu arbeiten begonnen. In Niederösterreich gab es Gemeinderatswahlen, in Wien wurde die Stadtvertretung neu gewählt und im Burgenland ein neuer Landtag. Die Herausforderungen der Regierenden, das öffentliche Leben zu regeln und gleichzeitig die persönlichen Freiheiten nicht zu viel einzuschränken, scheint immer mehr ein unmöglicher Spagat zu sein.
Im Stift Klosterneuburg hat Propst Bernhard nach 25 Jahren sein Leitungsamt zurückgelegt, und ein Kurienkardinal wurde mit der interimistischen Leitung betraut. Unser Bischof Kardinal Schönborn hat das Pensionsalter erreicht und um seinen Rücktritt gebeten. Noch ist kein neuer Bischof für die Diözese Wien bestimmt, die Vorbereitungen dazu laufen jedoch.
Gott, wir danken dir heuer besonders für alle Frauen und Männer, die ihre Leitungsfunktionen zum Wohl der Menschen eingesetzt haben und nicht auf den eigenen Vorteil oder Machterhalt bedacht waren.
Gott des Lebens, wir bitten dich, stärke all jene, die die Geschicke unserer Pfarre, unserer Stadt, unseres Landes und der Weltpolitik leiten, damit sie mit Umsicht und Vernunft in deinem Sinn ihren Dienst zum Wohl der ihnen anvertrauten Menschen und Natur erfüllen.

Auch heuer erreichten uns viele Meldungen von Krieg und Gewalt.
Sie reichen von Terror, Mord, Entführungen, über Missbrauchsfälle in verschiedensten Institutionen, leider auch der Kirche, bis hin zu Familientragödien. Gewalt, Hass, Neid scheinen kein Ende zu finden in unserer Welt. Besonders nahe geht vielen von uns dabei der Anschlag Anfang November in Wien.
Gott, für die Gewalttäter können wir nicht dankbar sein. Wir können sie nur deiner Hand anvertrauen, und bitten um Einsicht aller, die Gewalt anwenden wollen, und um die Kraft davon abzulassen.
Wir danken dir für alle, die ehrenamtlich oder beruflich jenen beistehen und helfen, die unter der Gewalt und ihren Folgen leiden. Wir danken dir auch für alle, die offen und über Religions- und Nationengrenzen hinweg gegen Gewalt auftreten.
Gott des Lebens, wir bitten dich für all jene, die Gewalt oder Hass erleben müssen, stärke sie, damit sie diese harten Zeiten überstehen können und hilf ihnen Wege aus ihrer misslichen Lage zu finden.

Denken Sie an ihr persönliches Jahr zurück, was haben Sie erlebt an Gutem, Schlechtem, Frohem, Traurigem, Abgeschlossenem oder möglicherweise auch Offenem............?
Gott, wir danken dir für alles Gelungene und Heilsame, alles Schöne und Erfreuliche, alles, in dem uns deine Nähe bewusst wurde.
Gott des Lebens, wir bitten dich, hilf uns alles, was offen geblieben ist im kommenden Jahr gut weiterzuführen, stärke uns mit Zuversicht, auch im kommenden Jahr durch deine gütige Hand geführt zu werden, und gib uns Mut und Kraft auf unsere Mitmenschen zuzugehen und wieder viele gute gemeinsame Zeiten zu erleben.

 „Mitten im Leben sind wir vom Tod umgeben, und mitten im Tod sind wir vom Leben umfangen.“ Gott, in diesem Jahr haben wir sehr oft erfahren, wie schnell menschliches Leben zu Ende gehen kann. Aus den Nachrichten wissen wir von mehr als 6000 Menschen allein in Österreich, die an oder mit Corona gestorben sind. Auch der Schock über die Toten beim Attentat Anfang November in Wien ist vielen in die Knochen gefahren. Wir denken auch an die unzähligen für uns namenlosen Toten von Krieg, Gewalt und Naturkatastrophen. Ihnen gleich geworden sind viele aus der Welt der Wissenschaft, des Sports, der Unterhaltungsbranche, der Politik, der Religionen zum Beispiel

Adolf Holl (Theologe und „Kirchenrebell“
Kirk Douglas (Schauspieler in Raumschiff Enterprise)
Sean Connery (Schauspieler u. a. James Bond)Josef Vilsmeier (Regisseur von Schlafes Bruder)
Larry Tessler (Computerpionier Copy&Paste)
Ernesto Cardenal (Dichter, Befreiungstheologe, Politiker)
Johann Weber (Altbischof der Steiermark)
Philipp Harnancourt (Liturgiewissenschaftler)
Ennio Morricone (Komponist von Spiel mir das Lied vom Tod)
Lore Krainer (österreichische Unterhaltungskünstlerin)
Otto Baric (ehemaliger erfolgreicher österreichischer Fußballtrainer)

Aber auch Menschen, die eine Zeit ihres Lebens in und für St. Martin verbracht haben wie

Ludger Müller, der einige Jahre als Organist gespielt hat.

Wolfram Hoyer, Dominikaner, der sein Diakonatsjahr bei uns absolviert hat. 

Emmi Schmid, die über 30 Jahre lang selbstverständlich und engagiert ihren Ehemann Toni in seinem Diakon-Amt unterstützt hat.

In die Liste der Verstorbenen reihen sich auch zahlreiche KlosterneuburgerInnen und viele Mitglieder unserer Pfarrgemeinde

Gott, wir danken dir für all das Gute, mit dem sie unsere Welt bereichert haben.

Gott des Lebens, wir bitten dich, heile und vervollkommne, was fehlerhaft in ihrem Leben war und lass sie nun bei dir glücklich und erlöst zu Hause sein. Ihre Verwandten und trauernden Hinterbliebenen führe nach angemessener Trauerzeit wieder in ein gutes und fröhliches Leben.

Gott, unsere Jahre kommen und gehen.
Deine Treue und deine Barmherzigkeit aber haben kein Ende.
Dir vertrauen wir uns an, im zu Ende gehenden Jahr 2020
und im beginnenden Jahr 2021. - Amen.