4. Adventwoche
4. Adventwoche

19. Dezember

Schutzengel gibt es doch

Person in Krankenbett. Eine andere Person sitzt am Bettrand

Es gibt Zeiten im Leben, da erscheint alles hoffnungslos, dunkelgrau und schwarz. Man fühlt sich allein und benötigt eine Schulter zum Anlehnen und Ausweinen.
Ich habe so eine Zeit – in Form der Diagnose Brustkrebs – vor einigen Jahren selbst erlebt: Meine Kinder waren noch klein und meine Familie litt mit mir – doch ich dachte, ich muss für mich selbst, und vor allem für sie, stark sein und gestattete mir nicht, zu sehr traurig zu sein. Die ersten Chemotherapien stand ich mit der großartigen Unterstützung meines Mannes, meiner Eltern und Schwiegereltern durch und wurde letztendlich operiert: Amputation der rechten Brust und Entfernung der Lymphdrüsen. Aber immer noch war ich stark und tapfer.
Am dritten Tag nach der Operation durfte ich endlich ohne Verband duschen gehen und sah mich zum ersten Mal im Spiegel und meine Tapferkeit war wie weggeblasen. Ich saß allein im Zimmer auf meinem Spitalsbett und erlaubte mir endlich zu weinen – und ich weinte bitterlich. Trauer, Enttäuschung, Angst und Verzweiflung schwappten wie eine Welle über mir zusammen und zogen mich hinunter in die Hoffnungslosigkeit, in der ich zu ertrinken drohte.
Plötzlich öffnete sich die Zimmertür und ein junger Arzt sah herein – sah, wie ich weinte und kam schweigend zu mir. Er setzte sich auf mein Bett, nahm mich in den Arm und hielt mich einfach fest. Nach ein paar Minuten beruhigte ich mich, meine Tränen versiegten und die Welt wurde wieder heller. Er streichelte mir noch zweimal über den Rücken, stand auf und ging. Ich weiß bis heute nicht, wer dieser Arzt war, wie er hieß oder was er in meinem Zimmer wollte. Ich habe ihn weder davor, noch danach jemals wieder gesehen. Aber er war (obwohl wir kein Wort miteinander sprachen) genau der Trost und die starke Schulter, die ich in diesem dunkelgrauen Moment brauchte, um meine innere Stärke wieder zu finden.
Es ist nun 11 Jahre her, aber ich muss sehr oft an diesen Arzt denken. Erst im Gespräch mit einem meiner Patienten (ich bin Ergotherapeutin in einem Rehabilitationszentrum) wurde mir klar, dass einer meiner Schutzengel mir in meinem dunkelsten Moment zur Seite stand, um mir wieder Licht und Hoffnung zu bringen.

Chris Höller

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