4. Adventwoche
4. Adventwoche

Erinnerungen

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Heuer im Herbst beging ich einen runden Geburtstag, den viele Freunde zum Anlass nahmen, sich mit mir zu treffen. Bei dieser Gelegenheit sprachen wir über die vielen schönen Feste der vergangenen Jahre. Hauptsächlich eine Feier in meiner Kindheit ist mir besonders in Erinnerung geblieben.
Mein siebenter Geburtstag –.so stellte ich es mir vor – müsste ganz außerordentlich schön werden, denn ich war fest davon überzeugt, dass mein Vater dabei sein würde. Seit seinem letzten Urlaub waren wir schon längere Zeit ohne Nachricht von ihm, und meine Mutter wusste nicht, wo sich ihr Mann aufhielt, ob er in Kriegsgefangenschaft geraten war oder womöglich gar nicht mehr lebte.
Der Krieg war zu Ende, und viele Kinder, Frauen und Mütter warteten in dieser Zeit auf die Heimkehr ihrer Väter, Männer und Söhne, viele von ihnen leider vergebens. „An meinem Geburtstag ist der Papa da!“ behauptete ich steif und fest, obwohl die Mutter immer wieder vorsichtig versuchte, mich darauf vorzubereiten, dass es vielleicht auch etwas länger dauern könnte, bis der Papa nach Hause käme. Je näher der Tag X rückte, umso nervöser wurde meine Mutter, die fürchtete, dass mir eine große Enttäuschung bevorstand.
Unsere Wohnung lag in einer abschüssigen Gasse im ersten Stock. Ich stand oft am Fenster und beobachtete die Passanten, um Papas Ankunft ja nicht zu verpassen. Eine Woche vor meinem Geburtstag sah ich einen Mann auf unser Haus zugehen und schrie begeistert: „Der Papa kommt!“ Ich lief die Stiegen hinunter, und als er die Haustür öffnete, fiel ich ihm sofort um den Hals. „Die Mama hat es mir nicht geglaubt, aber ich hab Recht gehabt. Ich hab immer gewusst, dass du an meinem Geburtstag da sein wirst.“
Auch die darauf folgenden Weihnachten waren die schönsten in meinem Leben. Endlich waren wir wieder alle beisammen.

Helga Kinzl

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