Leander hat Zoff. Zoff in der Schule, Zoff im Hort, Zoff zuhause. Deswegen hat man mit ihm eine psychologische Diagnostik gemacht. Das ging erstaunlich gut, keine Rede von Aggressionen, von Gewalt, von asozialem Verhalten … Um es genauer zu wissen, schicken wir ihn in eine unserer sozialtherapeutischen Gruppen. Zu diesen Terminen wird er mit einem Fahrtendienst gebracht. Die Fahrerin erzählt, wie er schimpft, wenn er in den Bus einsteigt, was er berichtet vom Sich-wehren-Müssen, vom Durchgreifen, von Revolution gegen den Godzilla machen. Ganz aufgeregt und wütend ist er, allen will er es zeigen.
Aber nach seiner Gruppenstunde zeigt er auf dem Handy Bilder vom Parcours, den er dort gebaut hat. Wie ihm die anderen geholfen haben. Und dass sie das nächste Mal gemeinsam etwas noch Großartigeres bauen wollen! Auf der Heimfahrt ist Leander still, erzählt noch ein bisschen von diesem tollen Spiel und schläft dann ein.
Julius ist geistig behindert, er kann nicht sprechen und ist sehr unruhig. In seiner Klasse sind zwar nur 6 Kinder, doch auch das ist ihm manchmal zu viel. Die regelmäßige Ergotherapiestunde ist für ihn eine produktive Unterbrechung des Unterrichts. Dann verschwindet er oft in den Materialkasten, nimmt ein Spiel mit, will nicht gestört werden. Zehn Minuten sitzt er da drin, dann erst nimmt er den Turm wahr, den die Therapeutin in seinem Sichtfeld aufbaut. Er ringt mit sich, was attraktiver ist, die beruhigend reizlose Atmosphäre im dunklen Kasten oder doch diese Bausteine, die vor seinen Augen aufgetürmt werden? Die Therapeutin redet leise, bewegt sich langsam, begleitet mit Worten, was sie tut. Plötzlich springt er heraus und schmeißt den Turm um. Die Therapeutin lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, langsam kommen die beiden in Kooperation. Am Ende der Stunde wirkt er ausgeglichener, hat selber einen Turm gebaut und lacht fröhlich.

Barbara Campman
Aus dem Jahresbericht der Kindersozialdienste